Jetzt wo ich die Überschrift geschrieben habe, sehe ich wie seltsam dieses Wort aussieht, wenn es da mal so geschrieben steht. Es ist überhaupt das erste Mal dass ich dieses Wort schreibe und nicht nur denke. Es sieht irgendwie lustig aus, süß, hat was von einem Vögelchen, ist farblich zart gelb mit etwas zu rotem Rot und mattem Grau und wirkt als Gesamtes etwas unharmonisch. Ich merke auch, dass ich mich direkt entspanne, denn Spätzünder haben mehr Zeit. Ich kann mir also Zeit lassen beim Schreiben und Denken und alles in Ruhe sortieren. Das ist schön und dennoch ist dieses Wort, und alles für was es steht, so seltsam aus der Zeit gefallen, so garnicht Zeitgeist in einer Welt die mich ganz schwindlig macht. Mit all der Geschwindigkeit, der Kürze der Zeit, der vielen Bilder und Headlines, des Mangels in satter Übersättigung.
Spätzünder sind spät. Spätzünder sind langsam. Sind weniger greifbar mangels Schmauchspur. Ist das wirklich so?
Spätzünder sind innerhalb einer eigenen Zeitzone. Sind Außerhalb von : ja was eigentlich? Oder bewegen Sie sich nur außerhalb von dem, auf das sich ungefragt Einige geeinigt haben , ohne vorher zu fragen. Ich erfreue mich an Spätzündern und wenn ich länger darüber nachdenke wäre ich gerne einer. Und zwar ziemlich oft. Denn irgendwie wirken Spätzünder heile und kugelrund, sind irgendwie mehr bei sich und weniger verstreut. Sind freicher, echter, treu. Sind da wo sie sind und weniger dort zwischen zwei Parties die nicht die ihren sind.
Spätzündern wird oft eine Verwandschaft mit der Rückständigkeit untergejubelt und eine Ehe mit dem Fortschritt verweigert und ich frage mich ist es nicht genau andersherum? Sind wir nicht wenn wir mit uns selbst im eigenen Ryhtmus unterwegs sind näher dran und verbunden mit etwas von echter Relevanz?
Und dabei bin ich nicht gegen Fortschritt, gegen Neues, gegen Anderes sondern im Äußersten für Entwicklung und Veränderung. Nur das es hier keine Missverständnisse gibt. Aber je älter ich werde desto mehr erkenne ich dass ich als Kind oft klüger war. Und dass, obwohl ich vieles nicht konnte und wusste. Aber ich hatte ein klares Gefühl fürs Leben und für das was wichtig ist. Mein ganzes Dasein war eingebettet in einen großen berauschendenen Zusammenhang und ich habe gebadet in betörender Freude. Und mit jedem Tag wurde der Druck im Außen größer, auszutreten aus dem inneren Kreis mit mir, und einzutreten in den äußeren Kreis in dem ich mich verlor. Dinge wurden unklarer, verschwammen in einem Meer von fremden Möglichkeiten. Scheint es angesichts dessen nicht äußerst verlockend ein Spätzünder zu sein? Der länger reift in sich um dann der Welt gegenüber zu treten? Als einer der mehr Wurzeln in sich hat und Kraft und Klarheit sammeln kann für alle weiteren Schritte die auf uns warten. Ist Zeitersprarnis in der Kindheit und Jugend lohnenswert oder eher ein Sparen an falscher Stelle? Ein weniger an mit sich versunken sein zur Identitätsbildung und Glück für ein Mehr an: ja was eigentlich? Und warum?
In uns ist das Streben nach Entwicklung verankert, so oder so, unterliegen auch wir doch den Gesetzten aller lebendigen Prozesse. So können wir uns doch entspannen mit den Spätzündern, denn auch sie gehen irgendwann den nächsten Schritt. Und um es mal mathematisch zu betrachten: Spätzünder scheinen oft weniger Jahre mit der Suche nach sich beschäftigt und machen jede angestellte Zeitersparnis zu nichte. Ausgleich!
Ich finde wir sollten sie hegen und lieben, die Spätzünder, und ihnen Raum einräumen zu wachsen und zu dem zu werden der sie sein wollen. Damit sie mit denen von sich aus Schnellen, Frühen, gemeinsam ins Ziel gelangen. Glücklich und wieder bei sich angekommen.
Ich würde jetzt am liebsten noch anfügen, dass im Anfang alles enthalten ist und das Leben eine wunderbare Schlaufe der Erfahrung. Aber das mache ich ein andermal.
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