Alles ist so politisch geworden. Also irgendwie so wirklich alles. Und damit meine ich einfach erstmal nur : alles ist politisch geworden. Ich kann mir nicht mehr einfach erlauben einen Kaffe zu machen oder eine E-mail zu schreiben, ohne mich einem Meer von möglichen Fauxpas auszusetzen. Und selbst wenn man einen guten Tag hat und denkt heute habe ich alles im Griff, alles auf dem Schirm, dann ist ein Scheitern dennoch im hohen Maße sehr wahrscheinlich. Denn jedes einzelne Thema des Alltags hat so viele Facetten, kann von so vielerlei Standpunkten aus betrachtet werden, wie z. B. unter dem Aspekt des Klimawandels, der Ausbeutung, der Wahrung der menschlichen Würde, der politischen Gesinnung, des Zeitgeistes und des Hipstertums, der Moral und der Genderthematik und unterliegt demnach einem Viel aus Richtig und absolut Falsch. Ja das absolut ist auch so ein Wort dieser Zeit - ich wusste gar nicht dass es so viel Abslutheit geben kann. Ich dachte früher absolut ist ein Singular.
Da ich aber prinzipielle ein maßloser Typ bin, kann ich damit aber eigentlich ganz gut leben, denn ich finde auch, viel ist viel und auch viel besser. Aber wenn mein eines Absolut gegen das Absolut von einem Anderen steht und der Kampf ums Absoluteste vom absoluten geht, dann ist es selbst mir zu viel. Und ich frage mich, können all diese persönlichen Absolutbrillen nicht einfach mal für einen Moment nebeneinander stehen und in den Austausch gehen. Macht man das nicht eigentlich in der Politik? Einen Diskurs führen? Oder heißt Politik in den Krieg ziehen? Im Großen wie im Kleinen?
Irgendwie bringt mich das permanente politisch sein im Absolutsektor aus der Mitte und ich habe Sehnsucht nach Beuys und seiner Vision, die Politik aus dem Blickwinkel eines Künstlers zu betrachen: Denn sind nicht wirklich alle Missstände und Probleme vor denen wir als Menschen stehen, eine Frage des WIE? Geht es hier nicht um Gestaltung? Darum, etwas das nicht gut ist gut zu machen? Wie Beuys es nannte, von der Unform in eine Form zu bringen, die gesundend und für alle zuträglich ist? Ich finde diesen Gedanken wunderbar und so herrlich konstruktiv und so maximal raus aus der Ohnmacht und dem kleinen Krieg, der sich täglich auftun kann, schon nur beim Thema Kaffee. Ich zieh mir heut die Beuysbrille auf und schau wie dann das Kaffekochen geht. In Frieden und als ein Mensch, der sich um die Form bemüht,
in allem was er tut.
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